Am 7.3.2018 fand die feministische Vorabenddemo anlässlich des am 8.3. stattfindenden internationalen Frauen*kampftag in Marburg statt. Die Demo war laut, entschlossen und wurde von vielen spannenden und kämpferischen Redebeiträgen begleitet. Vielen Dank nochmal an das AutonomeFrauenLesben-Referat fürs Organisieren! Leider hat das Abspielen unseres Redebeitrags nicht so geklappt, wie wir uns das erhofft hatten… Deshalb findet ihr ihn unten nochmal verschriftlicht.
Eine englische Übersetzung folgt/English translation coming soon.
Unser Redebeitrag für die feministische Vorabenddemo am 7.3.2018 in Marburg
„Wir feiern heute den 8. März als einen Tag des feministischen Kampfes. Es ist ein Tag, an dem wir auf die Straßen gehen, uns den öffentlichen Raum aneignen und Sichtbarkeit einfordern. Es ist ein Tag, an dem wir uns selbst feiern, die wir jeden Tag gegen eine heterosexistische, kapitalistische, antisemitische und rassistische Welt ankämpfen, ein Tag, an dem wir auf die Resultate unserer Kämpfe zurückschauen und deren Geschichte kritisch überdenken.
Was können wir aus den Kämpfen der letzten Zeit lernen? Und was bedeutet das für aktuelle und zukünftige Kämpfe?
Wichtige Rechte sind in den letzten Jahren errungen worden, die ohne den andauernden Kampf von Feminist*innen, Inter, Trans und queeren Personen so nicht denkbar gewesen wären. Die Ehe wurde geöffnet, das Sexualstrafrecht wurde überarbeitet und erst vor wenigen Monaten wurde für eine „dritte Option“ als Geschlechtseintrag entschieden, um einige Beispiele zu nennen.
Aber das ist uns nicht genug!
All diese Reformen müssen dem Staat in langwierigen Prozessen abgerungen werden. Betroffene müssen dafür einen harten Kampf auf sich nehmen. Haben wir hierdurch eine Verbesserung erreicht? Vielleicht. Dennoch: Was hat sich eigentlich für wen verändert?
Bei genauerem Blick zeigt sich: Die vermeintliche „Ehe für alle“ ist wohl kaum ein Ausdruck für Aufgeschlossenheit gegenüber queeren Lebensentwürfen. Sie ist ein Versuch, gesellschaftskonforme gleichgeschlechtliche Paare für das reaktionäre Konzept der Ehe zu vereinnahmen. Dieses bleibt ein Machtinstrument, das klassische und konservative Rollenverteilung fördert und damit das Patriarchat fort schreibt. Alternative Formen des Zusammenlebens abseits binärer, monogamer und romantischer Zweierbeziehungen finden weiterhin keine Berücksichtigung. Diese teilweise Öffnung der Ehe führt zu einer weiteren Stärkung dieses antiemanzipatorischen Konzepts. Dies bedient damit auch den momentanen antifeministischen Backlash, anstatt diesem entgegen zu stehen.
Solche Reformen können auch dem erstarkenden Rassismus weiter Aufwind geben, wie es sich im Diskurs um das Sexualstrafrecht beobachten lässt. Statt sexualisierte Gewalt als Problem zu thematisieren und die Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen, wird ganz in weißer Mannier mit zweierlei Maß gemessen und sich auf bestimmte Personengruppen als vermeintliche Täter fokussiert. Dies äußert sich in rassistischer Gesetzgebung (wie den Asylrechtsverschärfungen) und bereitet den Boden für rassistische Angriffe und Hetze gegen Schwarze, Geflüchtete und migrantische Personen. Das macht auch klar: Der rechtliche Schutz gilt nicht (oder nur eingeschränkt) für Women of Color, Schwarze, Geflüchtete und migrantische Frauen, Trans-Personen und Queers.
Das können, wollen und werden wir so nicht hinnehmen!
Auch wenn diese Gesetzesänderungen zunächst wie eine positive Entwicklung wirken, sind und bleiben sie ein staatliches Instrument der Unterdrückung. Die Grenzen zwischen dem „Wir“ und „die Anderen“, zwischen dem „normal“ und „abnormal“ werden nicht angetastet, sondern lediglich verschoben. Neue Ausschlüsse und neue Abgrenzungen werden produziert. Unterschiede zwischen uns werden als maßgeblich, als bestimmend erklärt um Vorherrschaft zu legitimieren. Es ist der Versuch, uns beherrschbar zu machen und unsere Solidarität untereinander zu brechen.
Aber wir lassen uns nicht beherrschen!
Wir bleiben solidarisch miteinander!
Wir scheißen auf diesen Staat und seine faulen Zugeständnisse!
Viele Menschen finden für sich und in Gemeinschaft Möglichkeiten der Lebensgestaltung, die aus diesen starren Kategorien ausbrechen; Gender, Begehren, Beziehung und Zusammenleben jenseits von anerkannten Normen. Im Akt dieses Ausbruchs können wir widerständiges Potenzial gegen den Staat und gegen heterosexistische Unterdrückung finden. Menschen entwickeln solidarische und machtkritische Formen des Zusammenlebens und entziehen sich damit staatlicher Kontrolle.
Lasst uns unsere Utopie aus vielen kleinen solcher Schritte erschaffen.
Lasst uns in unserem alltäglichen Miteinander der äußeren und inneren Herrschaft widerstehen.
Lasst uns ausbrechen, Grenzen überwinden und niederreißen.
Lasst uns öffentliche Räume nehmen und Freiräume schaffen.
Lasst uns unsere Körper und unser Leben aneignen.
Lasst uns Banden bilden und uns nehmen, was uns zusteht!
Kampf der heterosexistischen Unterdrückung!
Gegen den sexistischen und rassistischen Normalzustand!
Für Anarcha-Feminismus!„