Revolutionäre 1. Mai Demo 2019 in Marburg

Am 1. Mai 2019 fand seit langem mal wieder eine „Revolutionäre 1.Mai-Demo“ in Marburg statt. Einen kurzen Bericht der Orga-Menschen der FAU Marburg/Gießen/Wetzlar inklusive ein paar Fotos findet ihr hier. Auch wir fanden die Demo äußerst gelungen und haben den Nachmittag mit den Marburger Kollektiven, Musik und Sonne am Trauma sehr genossen. Fetten Dank an die Organisiator*innen! Ebenso möchten wir uns bei der solidarischen Person bedanken, die unseren Redebeitrag auf einer der Zwischenkundgebungen stellvertretend für uns gehalten hat. Den Redebeitrag könnt ihr im Folgenden lesen:

 

Liebe Genoss*innen, Freund*innen und Mitverschwörer*innen!

Dies ist ein Redebeitrag, der im Auftrag der anarchafeministischen Gruppe ana*m vorgetragen wird.

Als Anarchist*innen blicken wir auf eine lange Geschichte des Kampfes innerhalb und außerhalb der Arbeiter*innenbewegung zurück: Gegen den Kapitalismus und für ein freies und selbstbestimmtes Leben für alle! Ein Kapitel dieser Geschichte ist die Tragödie vom Haymarket Square. Auf diese geht der 1.Mai als Arbeiter*innenkampftag zurück. Im Jahr 1886, bevor es den 1. Mai als Kampftag oder gar als bürgerlichen Feiertag gab, fanden sich nordamerikanische Arbeiter*innen zum Generalstreik zusammen, um für den Achtstundentag zu kämpfen. So auch mehrere Tage in Chicago auf dem Haymarket Square. Die Demos wurden wiederholt von den Bullen attackiert, wobei einige Streikende getötet wurden. Das führte am 4. Mai dazu, dass eine unbekannte Person auf dem Haymarket eine Bombe in die Menge warf, die einige Menschen tötete, mehrere davon Bullen. Es ist bis heute nicht bekannt, wer die Bombe geworfen hat. Wegen der hohen Präsenz von Anarchist*innen im Streik wurde der Anarchismus für die Ereignisse verantwortlich gemacht und 8 Personen stellvertretend wegen Verschwörung angeklagt und verurteilt: Sieben zum Tode und einer zu 15 Jahren Haft.

Auch diesen Ereignisse und den getöteten Streikenden, unter ihnen die inhaftierten sowie hingerichteten Anarchist*innen, gedenken seit dem Antikapitalist*innen aller Länder am 1. Mai, indem sie antikapitalistische Demos und Aktionen verschiedenster Art veranstalten.

So treffen wir uns auch heute, um unserer Abneigung gegen die kapitalistischen Verhältnisse Ausdruck zu verleihen. Der Kapitalismus war, ist und bleibt eine ungerechte und menschenverachtende Wirtschaftsform. Es gilt ihn zu überwinden und durch eine Produktion, Reproduktion und Verteilung frei nach dem Motto „Alle nach ihren Fähigkeiten, allen nach ihren Bedürfnissen!“ zu ersetzen!

Auf solchen 1. Mai – Veranstaltungen wie dieser hier hört man häufiger die Forderung nach mehr Arbeit, oder nach Arbeit für alle. In der kapitalistischen Logik gedacht erscheint diese Forderung durchaus sinnvoll, denn um im Kapitalismus zu überleben braucht es Geld und für Geld brauchen die meisten von uns eben Lohnarbeit. Trotzdem bleiben wir der Meinung, dass das Problem nicht zu wenig Arbeit ist – denn mal ganz ehrlich, wer von uns ist nicht irgendwie ständig überarbeitet – sondern eine Wirtschaftsordnung, in der die Arbeit sowie deren Früchte nicht gerecht verteilt sind. Menschen im Kapitalismus sind von der Lohnarbeit abhängig, verfügen aber nicht frei darüber. Dadurch, dass die Produktionsmittel nicht der Allgemeinheit gehören und ungleich verteilt sind, besteht ein Machtgefälle zwischen denen, die sie haben und denen die gezwungen sind an ihnen zu arbeiten.

Überarbeiten kann man sich jedoch nicht nur durch Lohnarbeit, sondern auch durch solche, die gemeinhin nicht als gleichwertig angesehen wird,. Dies trifft beispielsweise auf Familienpflege, Arbeit in und an der Wohnung oder die psychische Unterstützung von Menschen zu, alles Arbeiten, die in den vermeintlich „privaten“ Bereich fallen und zum größten Teil von Frauen übernommen werden. Diese Unterscheidung findet sich nicht nur in der bürgerlichen Gesellschaft, sondern auch in unseren eigenen Bewegungen, auch am 1. Mai.

Wir würden gerne in eine andere Form der Arbeit, oder auch nicht-Arbeit übergehen. Würde all diese Arbeit – ob bisher als solche angesehen oder nicht – als gesellschaftliche Aufgabe betrachtet werden und sich nach den Bedürfnissen der Menschen richten, dann gäb es vermutlich sehr viel weniger davon und uns allen würde es sehr viel besser gehen.

Leider ist uns auch klar, dass das nicht so einfach von heute auf morgen passieren wird. Wir halten es auch nicht für sinnvoll, uns dahingehend irgendwelche Illusionen zu machen. Denn wenn sich heute Menschenmassen erheben würden, um gesellschaftliche Veränderungen zu erreichen, dann ginge es sicher nicht in Richtung freiheitlicher Sozialismus. Nein, mit dem deutschen Mob wollen wir keine Revolution!

Dennoch, andere Formen der Arbeitsverteilung lassen sich auch jetzt schon umsetzen, innerhalb der Grenzen des Kapitalismus und trotzdem gegen sie. Wir denken hier an die sogenannte Kollektivarbeit. Ein Betrieb, immer noch den Regeln der Marktwirtschaft unterworfen, wird von all jenen, die darin arbeiten gemeinsam geführt – bedürfnisorientiert und gleichberechtigt. Manche solcher Kollektivbetriebe gibt es auch hier in Marburg und unterstützen auch diese Demonstration. Ein Beispiel dafür ist das Café am Grün. Ein weiteres Beispiel war unser aller Lieblingskneipe, das Havanna Acht. Die Kollektivkneipe, uns allen wichtig als Treffpunkt und Veranstaltungsort, musste – wie die meisten von euch wahrscheinlich wissen – leider im März diesen Jahres dicht machen. Das ist scheiße.

Unsere Solidarität gilt dem Kollektiv in seinem Kampf um einen neuen Raum und all jenen, die jetzt dazu verdammt sind in Scheiszkneipen oder auf der Straße zu trinken. Betriebe denen, die drin arbeiten, Kneipen denen, die drin saufen!

Eignet euch eure Arbeitsplätze an! Seht die Arbeit eurer Mitmenschen und wertschätzt sie! Schlaft öfter mal aus! Arbeitet an der Errichtung der Anarchie!

Bis dahin – support your local antifa and anarchist groups!

ana*m