Revolutionäre Frauen: Ito Noe

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Ito selbst schrieb zu tabuisierten Themen wie Abtreibung, Prostitution, weiblicher Sexualität und arrangierten Ehen. Ito trat vehement für die Legalisierung von Abtreibungen, genau wie für die Legalisierung von Prostitution ein, da sie ein uneingeschränktes Recht auf körperliche Selbstbestimmung von Frauen propagierte. Staatliche Einmischung und Bevormundung von Frauen kritisierte sie scharf. Die Arbeit in der Prostitution setzte Ito Noe außerdem in Verbindung mit einer sozial-ökonomischen Kritik und argumentierte: Dadurch dass es im japanischen Sozialsystem kaum Möglichkeiten für Frauen gäbe sich finanziell zu versorgen, würden viele durch ökonomische Zwänge in die Prostitution gedrängt. Als Frau ums Überleben zu kämpfen dürfe aber auf keinen Fall Anlass für Bestrafung sein.

Auch mit dem Thema ‚freie Liebe‘ setzte sich Ito sowohl praktisch als auch theoretisch auseinander. In ihrem Text ‚Von einer Frau an ihren Ehemann‘ bemerkt sie selbstkritisch, dass sie sich in ihrer (offenen) Ehe sehr nach traditionellen Rollenvorstellungen verhält. Sie kommt zu dem Schluss, dass sie eine gewisse Distanz zu ihrem Ehemann braucht, um sich selbst als Maßstab zu setzen und sich treu zu bleiben. In weiteren Texten widmet sie sich einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Klassensystem und der Ausbeutung von Arbeiterinnen und Mädchen und in ‚Realität ohne Regierung‘ illustriert sie das selbstorganisierte Leben einer ländlichen Dorfgemeinschaft als positives Beispiel für gelebten anarchistischen Kommunismus. Zusätzlich übersetzte sie Texte von Emma Goldman ins Japanische. Ito Noe kritisierte die Obrigkeitshörigkeit in der japanischen Gesellschaft ihrer Zeit scharf und plädierte für einen alltäglich gelebten Anarchismus um in vielfältigen kleinen Schritten den Kokutai[¹] zu unterwandern.

Aufgrund ihrer deutlichen Kritik am politischen System und dem japanischen Herrscher war Ito Noe starker Repression ausgesetzt. Ständig hatte sie Schikanen durch die Polizei zu ertragen, so dass sie kaum das Haus verlassen konnte ohne angehalten zu werden. Dora Russell und ihr Mann Bertrand trafen Ito Noe 1921 gemeinsam in Japan. Auf Dora Russells Frage ob sie nicht Angst habe, dass die Autoritäten ihr etwas antun würden, soll Ito zynisch, mit einer Hand ihre Kehle streifend geantwortet haben: „Ich weiß dass sie es tun, früher oder später.“
Trotz des Wissens um ihre Gefährdung propagierte Ito Noe weiterhin unerschrocken ihre Ideen von einer besseren Gesellschaft und trat öffentlich für ihre Überzeugungen ein.

In dem vom großen Erdbeben von Kanto ausgelösten Durcheinander wurden Ito Noe, ihr zweiter Ehemann Osugi Sakae, selbst Anarchist, und sein sechsjähriger Neffe am 16. September 1923 von der Militärpolizei verhaftet und zu Tode gefoltert. Ihre Leichen wurden anschließend in einer Müllanlage entsorgt. Ito Noe war zum Zeitpunkt ihrer Ermordung 28 Jahre alt.

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[1] Kokutai ist ein Konzept aus dem Japanischen und Beschreibt die Verbindung aus Regierungssystem, nationaler Identität bzw. Einheit und Souveränität des Herrschers

Literatur:

https://libcom.org/history/noe-ito-1895-1923

Terasaki, Akiko & Lenz, Ilse (Hrsg. & Übers.): „Ito Noe – Frauen in der Revolution – Wilde Blume auf unfreiem Feld“, Karin Kramer Verlag, Berlin 1978.