Feminismus oder Barbarei!

Feminismus verstehen wir als Kampf gegen das Patriarchat. Hierin stellt die Kategorie Geschlecht ein Herrschaftsverhältnis dar, in dem der hegemonialen Männlichkeit die größte Macht zukommt.

Innerhalb dieser androzentristischen Gesellschaft, in der Männlichkeit und Mann-sein als übergeordnete Norm gilt, werden eben jene ‚Männer‘ in den meisten Bereichen des Lebens vermehrt gesellschaftliche Berücksichtigung finden.

Die jeweilige als ‚weiblich‘ oder als ‚männlich‘ vorgenommene Subjektkonstituierung, also das Frau- und das Mann-Werden, ist in dieser dichotomen, zweigeschlechtlichen Gesellschaft immer gewaltvoll. Wird den Einen ein Mangel an Rationalität oder Autonomie bescheinigt, so gelten die Anderen als emotionsloser und weniger kommunikativ. Im Rahmen ihrer Subjektwerdung werden somit wesentliche Teile der eigenen Persönlichkeit abgespalten und ins jeweilige Andere projiziert.

Entschädigung für die Verluste der eigenen Möglichkeiten erfahren innerhalb des Patriarchats vor Allem aber die als männlich Identifizierten, die – in weitaus größerer Zahl als ihr ‚weibliches‘ Gegenüber – die Führungspositionen besetzen in Familie, Beruf und Gesellschaft.

Dieser gesellschaftliche Kontext geht somit insbesondere einher mit einer Ausgrenzung und Unterdrückung von Menschen die als Mädchen und Frauen gelesen werden, sowie jenen, die sich der Zweigeschlechtlichkeit und/oder ihren Zuschreibungen entziehen, den Trans-, Inter- und queer Personen. Diese Ausgrenzung durchdringt die gesamte Gesellschaft und ihre Organisationsformen (privates Zusammenleben, Bildung, Arbeit, öffentliches Leben, Politik, Justiz…). Sie äußert sich in sexualisierter Gewalt, physischer und psychischer Gewalt gegen Mädchen*Frauen*Trans*Inter*Queers (FLTIQ) und Mysogynie, genauso wie in Alltagssexismus und ökonomischer Benachteiligung. Die Gewalt gegen und Unterdrückung von FLTIQ ist dabei institutionalisiert, strukturell und alltäglich.
Dem wollen wir konsequent entgegentreten. Die Kategorie Geschlecht als Herrschaftsmechanismus und biologistische Formel lehnen wir ab. Das Patriarchat und eine androzentristische Gesellschaft wollen wir überwinden. Alltags- und institutionalisierten Sexismus lehnen wir ab.

Genauso wie Männlichkeit gelten Heterosexualität und Cis-Geschlechtlichkeit in unserer Gesellschaft als leitende Norm. Diese Normativität legitimiert Unterdrückung und Diskriminierung von Menschen mit Trans-, Inter- und Queerer Geschlechtsidentität genauso wie von Menschen die schwul, lesbisch und queer begehren.

Heteronormativität und Cis-Geschlechtlichkeit als übergeordnete Werte lehnen wir ab. Wir kämpfen für die Emanzipation aller Geschlechter und für ein freies Begehren jenseits von Normen. Die befreite Gesellschaft ist, wo jeder Mensch ohne Angst verschieden sein kann.

Durch einen Bezug auf bestimmte Gechlechterkategorien und deren Benennung entstehen immer auch Ausschlüsse von Menschen die sich nicht in diesen Kategorien finden und davon abweichen. Langfristig wollen wir deshalb diese Kategorien überwinden. Auf dem Weg dorthin werden wir diese dennoch verwenden müssen, um im Kampf Unterdrückungsstrukturen benennen und Position beziehen zu können.

Diskriminierung aufgrund des (zugeschriebenen) Geschlechts verstehen wir dabei immer auch intersektional, was bedeutet, dass diese untrennbar mit anderen Diskriminierungsstrukturen verwoben sind und nicht isoliert von diesen betrachtet werden können. Sexismus äußert sich unterschiedlich gegen FLTIQ je nachdem wie diese insgesamt im Herrschaftsgeflecht – vermittelt durch die staatliche und kapitalistische (Welt-)Ordnung – positioniert sind. Frauen* bilden offensichtlich keine homogene Gruppe sondern ihre Position bezüglich anderer Unterdrückungsformen wie Rassenkonstrukte, Klasse, Aufenthaltsstatus,… unterscheidet sich stark. Wir wollen deshalb versuchen diese Perspektiven mitzudenken und theoretisch zu erfassen, ohne diese von außen zu vereinnahmen und erheben keinen Anspruch auf den „richtigen Feminismus“. Nur ein solidarisch miteinander geführter Kampf wird dabei der Vielzahl an Perspektiven gerecht und zum Ziel führen. Diesen Kampf wollen wir dabei immer sowohl im Privaten als auch im öffentlichen Raum führen.

Rassistische und nationalistische Vereinnahmung von Feminismus, Frauenrechten und normativer Homosexualität lehnen wir entschieden ab. Einen exklusiven, weißen, bürgerlichen Feminismus ohne universelle Befreiungsperspektive lehnen wir ab. Nur wenn wir die Form des Privilegs angreifen und seinen Inhalt allen zugänglich zu machen versuchen und somit auf einen gesellschaftlichen Wandel hinarbeiten, können wir Veränderung erreichen. Wir wünschen uns einen intersektionalen, solidarischen Feminismus, der alle Herrschaftsstrukturen zu überwinden versucht.

Die Geschlechteremanzipation begreifen wir dabei nicht als Nebeneffekt oder gar Automatismus auf dem Weg zur befreiten Gesellschaft. Die Befreiung aller Geschlechter und die Zerstörung des Patriarchat ist für uns vielmehr Grundlage für das Erreichen der befreiten Gesellschaft.

Feminismus und Anarchismus sind untrennbar miteinander verbunden und können nur gemeinsam erkämpft werden.

Make Anarcha-Feminism a Threat Again!

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