„Wir müssen über Trans-Feminizide sprechen!“ – Redebeitrag zum feministischen Kampftag 08. März 2022

CN: Transfeindlichkeit, Gewalt, Mord, Suizid.

Ende letzten Jahres haben wir die „Fight Femicide“ Veranstaltungsreihe unterstützt, die von einem Bündnis aus feministischen Gruppen und Einzelpersonen organisiert wurde. Die Reihe hat über Feminizide und die weltweiten Kämpfe gegen sie informiert und aufgeklärt. Ziel war es, auch in Marburg erste Schritte im Kampf gegen Feminizide zu gehen. Dabei wurden viele Themen beleuchtet. Leider fehlen bei solchen Reihen aber immer auch Perspektiven und Themen, die eigentlich wichtig sind. Bei uns waren es (unter anderem) Trans-Feminizide.

Das Thema wird nur selten besprochen. Das macht es nicht nur schwerer, sondern auch umso wichtiger, darüber zu sprechen. Schwer fällt es uns, weil wir selbst keine Expert*innen dafür sind. Für die Veranstaltungsreihe wurden auch keine Expert*innen gefunden, die darüber einen Vortrag halten wollten oder konnten. Darum möchten wir nun den feministischen Kampftag dazu nutzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen und darüber zu sprechen.

Auf offizielle Statistiken können wir uns auch hier wie so oft nicht verlassen. Das liegt zum einen daran, dass es ganz einfach keine staatlichen Statistiken zur Ermordung von Trans Personen in Deutschland gibt. Zum anderen aber auch an der staatlichen Transfeindlichkeit: Wer den staatlichen Spießrutenlauf zur Personenstandsänderung nicht hinter sich bringt, der*die wird polizeilich misgendered und ganz selbstverständlich in die falsche Statistik aufgenommen. Keine Zahlen, kein Problem? Staatliche Cis-Normativität regelt.

Der weit überwiegende Großteil der transfeindlichen Morde wird an trans Frauen und Femmes begangen. Und viele von ihnen waren, bevor sie ermordet wurden, in der Sexarbeit tätig. Auch Schwarze Menschen, people of colour und Migrant*innen werden besonders häufig aus transfeindlichen Motiven ermordet.

Die schmerzhafte Arbeit, diese Gewalt zu beobachten, darauf aufmerksam zu machen und die Gewaltverbrechen zu zählen muss also mal wieder von der Community selbst gemacht werden. Trans Rights Organisationen wie „Trans Murder Monitoring“ oder „ProTrans“ tun das. Der Trans Day of Remembrance, der jedes Jahr am 20. November von der Community begangen wird, erinnert an unsere Geschwister, die transfeindliche Gewalt erleben oder durch sie ermordet wurden.

Und das vielleicht schlimmste daran ist, dass wir bis hierhin noch gar nicht von Suiziden gesprochen haben: Müssen wir nicht eigentlich auch jede Selbsttötung und jeden Versuch dazu, zu den Gewaltverbrechen zählen? Nicht etwa, weil die Selbsttötung ein Verbrechen sei, sondern weil die gesellschaftliche und oft familiäre Gewalt trans Personen dazu bringt, den Suizid als letzten Ausweg aus ihrer Lage zu sehen.

Was sind nun die Erkenntnisse, die wir daraus ziehen? Das Problem ist international, intersektional und natürlich, wie so oft in dieser beschissenen Welt, trifft es die ohnehin Marginalisierten mal wieder am heftigsten. Wir können uns dabei nicht auf den Staat und seine Behörden, seine Statistiken verlassen. Wir müssen uns selbst organisieren, in Communitys, in antirassistischen und migrantischen, in feministischen und queeren Bewegungen – um gegen die Ermordungen unserer Geschwister und gegen alle Feminizide zu kämpfen.

Wir möchten nicht weiter über das Thema sprechen. Aber wir müssen. Mit einer Veranstaltungsreihe ist es nicht getan; ein Redebeitrag ist kein Schlussstrich.

Unser Kampf geht weiter, bis keine unserer Geschwister mehr ermordet werden!

Mourn the Dead, fight like hell for the living!

8. März heißt Kampfansage!